Creeper Move Cards

Protokoll des PoliCCCy-Treffens auf dem 29C3

Im Dezember 2012 wurden die Karten auf dem 29. Chaos Communication Congress, einer jährlich vom Chaos Computer Club veranstalteten Konferenz, ausgelegt und verteilt.

Daraus entstand eine kontroverse Debatte über den Sinn und die Notwendigkeit der Karten, die unter dem Namen "PoliCCCy" zu einem Treffen von deutlich über 100 Interessierten führte. Dort wurde über alltäglichen Sexismus, Übergriffe auf Veranstaltungen und die Rolle von Awareness Teams und Anti Harassment Policies diskutiert.

Das stichwortartige Protokoll aller Wortmeldungen und Beiträge wurde für die Veröffentlichung hier etwas umsortiert und zusammengefasst. Die Diskussion war mit vielen Teilnehmern und diversen Themenfeldern sehr umfangreich. Eine unredigierte Originalversion in groben Stichpunkten ist hier auf Pastebin zu finden.

Allgemeine Reaktionen und Verbesserungsvorschläge

Die Idee hinter den Karten wird gut gefunden. Sie erzeugen allerdings keinen Dialog, schützen dadurch aber die VerteilerIn. Das Awareness-Team fühlte sich alleine gelassen. Eine URL (z.B. zum Twitter-Account oder dieser Webseite) für mehr Informationen fehlte auf die Karten, wäre aber gut gewesen um anfängliche Verwirrung zu beseitigen.

Beobachtungen / Reaktionen

Wortmeldungen, Meinungen und Beobachtungen zu den Kartem

Es ist nicht Aufgabe der Betroffenen, Übergriffigem etwas zu erklären. Die Karten Erleichterung des zur Wehr setzens gegen Belästigung. Das kommentarlose Überreichen erzeuge allerdings keine Awareness. Die roten Karten sind wie im Fußball zu verstehen, wo es auch keine Diskussion gebe. Die Creeper Cards sind keine abschließende Lösung. Die Karten können aber dafür da sein, um Grenze zu ziehen. Das Awareness-Team muss im Anschluss als Ansprechpartner für beide Seiten bereit stehen.

Das Konzept der Karten wurde von Teilnehmern des Congress teilweise ins Lächerliche gezogen und die Karten missbraucht. Die fehlende öffentliche Erklärung der Karten war daran womöglich mit Schuld. Auf der openmind Konferenz 2012 wurden sie beispielsweise im ersten Talk kurz erläutert - dort wurde entspannt mit den Karten umgegangen. Es war ebenfalls vielen unklar, dass Awareness Team und Creeper Cards getrennte Projekte waren.

In der Harassment Policy fehlte eine genaue Definition von "Übergriff". Ohne diese Definition sei der Kontext der Karten schwerer verständlich gewesen.

Empfänger der Karten sollten / wollen nicht als Sexisten abgestempelt werden, es müsse eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und persönlichen sexistischen Äußerungen geben. Kritik an den Karten wurde auf Twitter mit Sexismus gleichgesetzt. Männer sollten als Hauptverantwortliche von Übergriffen adressieren werden, nicht die Frauen zum Handeln "verpflichtet" werden. Männliche Teilnehmer sollten sich verpflichten, Übergriffe und Sexismus direkt anzusprechen.

Die "Creeper Cards" standen im Zentrum der Debatte beim Awareness Team / Konflikthelfer Team. Viel Diskussion (wie auch das #poliCCCy Treffen) erzeugen ist ein gutes Ergebnis. "Creeper Cards" sind eine gute Sache, wenn sie von der Orga der Veranstaltung unterstützt werden.

offener Brief

Philipp Stefan und Helga Hansen haben eine Liste an Fragen und Vorschlägen gesammelt. Wieviel Eigeninitiative ist in dem Chaosumfeld gefragt? Die Aufforderung "Ja, dann macht doch" stünde gegen die Forderung "sprecht das vorher mit uns ab". Vielen wäre unklar gewesen, wie das Konfliktteam erreichbar war.

Ideen für die Harassment Policy

Die Anti Harassment Policy sollte besser hervorgehoben und an den Anfang der Event-Planung gestellt werden. Was unerwünschtes Verhalten alles sein kann beschreibt z.B. die Ada Initiative. Konkrete Beschreibungen können mit in die Policy aufgenommen werden. Maßnahmen gegen anzügliche Witze / Sexismus / etc. in Vorträgen klar durchziehen und Verwarnungen, Sanktionen, Rauswurf klar kommunizieren und Hirarchien im Vorfeld klären - nicht nur mit dem Awarenessteam, sondern auch mit der Security, Orga, Infodesk, Engeln etc. klären, damit diese sich entsprechend verhalten können. Das verhindert "aber ich hab's ja nicht gewusst" als Ausrede.

Redebeiträge / Diskussion

  • detaillierte Regeln wenig sinnvoll
  • Problem wird wahrgenommen, möglicherweise aber anders als z.B. bei der DEFCON
  • vergleichsweise sichererer Ort als z.B. ein Fußballspiel
  • Ziel: gleicher Frauenanteil
  • Ziel: Awareness schaffen
  • Creeper Cards möglicherweise Kommunikationsverweigerung und wenig zielführend
  • Gespräch mit Moderatoren des Hackerjeopardy
  • Diskussion über Werte vor einer Policy
  • Bewusstsein schaffen statt detaillierter Verhaltensregeln
  • auch präsent Bewusstsein für unerwünschtes Verhalten schaffen (z.B. Zettel mit kurzem "Sexismus ist nicht erwünscht")
  • Problem die Normalität und das fehlende Bewusstsein für sexistische Inhalte
  • keine Vorfälle unter der Harassment Policy beim Awarenessteam gemeldet (außer einem Nazi)
  • Außenwirkung des Congress u.U. nicht korrekt, bzw. schlimmer als tatsächlich vor Ort
  • Nacktbilder bei der Ada Initiative geklärt
  • sexistische Kommentare auf dem Congress und Herausforderung einer roten Karte offensiv gefordert
  • Dunkelziffer bei Übergriffen, Vorfällen, Sexismus etc.
  • Policy kann auch konkret und offen formuliert werden; nicht zwangsläufig "alles flauschig" oder "keiner muss mehr denken"
  • mit Harassment Policy wird Konferenz als angenehmer / willkommender wahrgenommen
  • bei Creeper Cards / Harassment Policy geht es nicht um Übergriffige u. deren "Erziehung", sondern in erster Linie um Hilfe für Betroffene
  • Entwicklung bei Vorträgen / Policy / etc. sehr positiv
  • Policy nicht nur für Frauen, sondern für alle / soll keine Ungleichheit erzeugen / Frauen als "Sorgenkind" ein falscher Eindruck der nicht entstehen darf
  • Bewertung des Äußeren einer Speakerin unpassend / Verstoß gegen Hackerethik
  • fehlendes Bewusstsein wie Handlungen bei verschiedenen Empfängern ankommen
  • Einwurf: englischsprachigen Überblicks-Blogpost über die Ereignisse / Anlässe der Diskussion zusammenfassen
  • Kommunikation der Policy so früh wie Möglich in die Vorbereitung des nächsten Congress einbeziehen
  • Policy, Awarenssteam, Gendertalk in Saal 1 gute Entwicklung; mehr davon
  • Leute mit Standing die sich klar äußern sind wichtig
  • ausformulierte Policy gewinnt noch keine Schlacht gegen "so war das immer"
  • Karten vllt. schlecht vorbereitet, aber eine laute Diskussion erzeugt
  • Hack-Community toleranter als z.B. Sport, Musik, etc.
  • Selbsteinschätzung vom Awarenessteam: läuft gut
  • Awarenessteam will seine Einschätzung / Bewertung / Verbesserungen etc. im Anschluss verarbeiten und kommunizieren
  • bemerkenswert, dass eine Anti Harassment Policy in der Community überhaupt diskutiert wird, statt hingenommen zu werden
  • Policy steht seit 2 Jahren im Wiki
  • Policy ist nicht explizit antisexistisch, sondern gegen diverse *ismen und Diskriminierungen
  • Hacker würden immer die Lücken in einer Policy (als "Sport") suchen; ausformulierte Policy funktioniert nicht auf Hackerkongress
  • unterschiedliche Auffassungen von "positivem" Klima
  • Zusammenprall von Gruppen mit unterschiedlichen Vorstellungen von "Awareness" - kann nicht funktionieren
  • nach dem Kongress zusammensetzen und von einander lernen für den nächsten Kongress
  • die Sensibilität von FeministInnen mag manchen übertrieben vorkommen; aber wiederholtes Vorkommen auf diversen Veranstaltungen
  • Signal der Befürchtung falscher Ausenwirkung kann als "unter den Tisch kehren" wahrgenommen
  • "drüber reden" wäre schön - aber keiner kommt, es wird nur anonym gepostet
  • unabhängig davon, ob Creeper Cards gute Idee sind oder nicht - ihr Missbrauch ist verletzend
  • eine Policy kann und muss den "Tatbestand" Sexismus erläutern, z.B. durch Beispiele
  • nicht mehr nur HackerInnen auf dem Congress
  • Bedarf einer Policy unumstritten
  • Beispiel: rechte Burschenschaft unerwünscht, falsches Forum / bei Übergriffen Maßnahmen, Rauswurf, etc.
  • Grundregeln nötig, aber keine Erstickung - z.B. welche Formen von "Satire" sind erlaubt oder nicht, was ist ein NoGo, Anstufungen dazwischen, etc.
  • dass es Orte gibt an denen es schlimmer ist heißt nicht, dass hier alles gut ist - es kann immer geschaut werden wie es noch besser werden kann
  • Unterschied zwischen sozial Ungeschickt / gedankenlosem Witz oder sexistischer Äußerung
  • sexistische Äußerung macht keinem zum Sexisten - aber die Bezeichnung von Sexisten wird häufig von diesen so benannt
  • ignorieren bzw. aufbauschen funktioniert nicht nur in eine Richtung
  • Satire ist okay, aber Satire kann nur über Dinge gemacht werden, die eins selbst verstanden hat - jemand der Awareness / Sexismus nicht gut kennt, kann es nicht satirisch verarbeiten
  • Einzelbericht: keine Wahrnehmung von Sexismus im Umfeld, aber plötzlich ungehindert Sexismus auf der Bühne und mit Bestätigung aus dem Publikum
  • Außenwirkung durch ein (gestreamtes) Event wie das Hackerjoeopardy schlimmer als durch Kritik vom Event aus
  • mehr Awareness beim Team und auf der Bühne und für Speakerinnen schaffen und AnsprechpartnerInnen bereitstellen
  • Policies stammen von anderen Konferenzen ähnlichen Publikums - werden dort eingesetzt
  • Workshops auf dem nächsten Congress um mehr Awareness zu schaffen
  • wer Lücken suchen in einer Anti Harassment Policy ist kein Hacker sondern ein Arsch (O-Ton)
  • Gefühl, dass die Orga wenig hinter der Policy steht und sie nicht stark genug durchsetzt
  • Sichtbarkeit für eine Policy schaffen
  • Rollenbild "Frauen = Opfer" und "Männer = Täter" unpassend
  • auf jeden Sexistischen Vorfall neu Einsteigen
  • Community formt sich; kein Bestandsschutz für bisherige Gäste
  • definieren, wer kommen soll, sondern nicht wer nicht kommen soll
  • Karten werden nicht ernstgenommen, dadurch wird ganze feministische Bewegung nicht ernst genommen
  • einzelnen Sexismus erklären, weil es vielen nicht klar ist, wann sie sexistisch sind
  • Awarenessteam steht im Wiki, wer es erreichen will kann sich an einen Engel bzw. Infodesk wenden
  • offizielles Awarenessteam ein Zeichen, dass die Orga hinter der Policy steht
  • würde die Orga nicht hinter der Policy stehen gäbe es keine Policy
  • Wahrnehmung der Karten als Troll / Kunstaktion
  • Frauenanteil auf dem Congress steigt in den letzten Jahren stetig an
  • Veranstaltung nicht schlecht reden, sondern daran weiterarbeiten
  • Team sichtbarer machen
  • es wird keine Schritte zurück geben

Ansprechpartner vom Awarenessteam

Levampyre vom Awarenessteam äußert sich zu Verbesserungen.

  • wurden über den ganzen Kongress über Gespräche geführt
  • Awarenessteam ist ein Prozess
  • fruchtbare neue Ideen
  • Awarenessteam muss für sich selbst erst einmal Inhalte / Aktionen ordnen
  • viel Diskussion innerhalb des Teams; ausweren; Diskussion anstoßen
  • Awarenessteam des 29C3 zwei Wochen vor Congress entstanden
  • DECT Telefone veraltet und unkomfortabel
  • Verbesserungsvorschläge an das Awarenessteam auch für andere Communities / Hackspaces veröffentlichen