Creeper Move Cards

Stellungnahme zu den Creeper Move Cards auf dem 29. Chaos Communication Congress

Im Dezember 2012 wurden die Karten auf dem 29. Chaos Communication Congress, einer jährlich des Chaos Computer Club veranstalteten Konferenz, ausgelegt und verteilt.

Daraus entstand eine kontroverse Debatte über den Sinn und die Notwendigkeit der Karten, die unter dem Namen "PoliCCCy" zu einem Treffen von deutlich über 100 Interessierten führte. Dort wurde über alltäglichen Sexismus, Übergriffe auf Veranstaltungen und die Rolle von Awareness Teams und Anti Harassment Policies diskutiert.


Links, Quellen und weitere Stellungnahmen:

Die Creeper Move Cards sind ein Konzept, das 2011 zum ersten Mal auf Veranstaltungen in den USA umgesetzt wurde. In Deutschland wurden die Karten erstmals 2012 auf der OpenMind Konferenz ausgeteilt. Die Karten sollen Betroffenen von verbaler oder körperlicher Belästigung auf Konferenzen eine Möglichlichkeit zur nonverbalen Kommunikation mit der übergriffigen Person bieten. Auf der om12 wurden die Karten vom Orga-Team eingeführt und erklärt und sind dort offenbar gut akzeptiert worden. Die Idee, die Karten auch für den Chaos Communication Congress zu drucken, kam bereits vor der OpenMind auf, als der CCC verkündete, eine Anti Harassment Policy auf dem Congress einzuführen und durchsetzen zu wollen. Die Aktion war zwar unabhängig von CCC, aber frühzeitig bei der Orga angekündigt und mit den Conflict Helpers im Vorfeld ausführlich abgesprochen worden.

Vor Ort und im Nachgang gab es einige Kritik am Konzept der Karten, der Umsetzung oder dem Projekt an sich. Das Meiste, was während des Chaos Communication Congress persönlich an uns herangetragen wurde, war sachlicher Art. Vielen Dank dafür.

Zentrale Kritikpunkte waren mangelnde oder fehlende Informationen über Ansprechpartner*innen sowie über die Anwendung und Intention der Karten. Außerdem wurden besonders die Formulierungen auf der roten Karte vielfach negativ kommentiert, da diese als Legitimation von Gewalt gelesen werden kann. Der Text wurde aus dem Original übernommen und die Übersetzung in mehreren Anläufen von Freiwilligen korrigiert und angepasst. Die problematische und potentiell triggernde Implikation ist hierbei schlicht nicht aufgefallen. Die Karten sind weder eine Androhung noch eine Verharmlosung von Gewalt. Der Text der Karten wird in beiden Sprachversionen abgeändert werden, um das unmissverständlich auszudrücken.

Die Anregungen zu weiterführenden Informationen werden ebenfalls aufgegriffen. Auf die Karten wird ein Link zu unserer Webseite creepermovecards.de hinzugefügt. Die Website selbst wird mit mehr Informationen zur Absicht der Karten befüllt werden. Eine direkte Kontakinformation oder Hinweise zu einer physischen Anlaufstelle fehlte auf den Karten, die wir zum 29C3 mitbrachten. Wir hatten lediglich auf Rückfrage der Conflict Helpers im Congress-Wiki einige Informationen zu den Karten eingetragen und dort an anderer Stelle auf unserer Anwesenheit vor Ort hingewiesen.

Die aufgezählten Kritikpunkte an den Karten sind berechtigt und haben die Kommunikation rund um das Projekt erschwert. Dennoch entstand noch auf dem Chaos Communication Congress selbst eine umfangreiche und an vielen Stellen durchaus konstruktive Debatte.

An Tag 1 fand ein Treffen für Feminismus- und Gender-Interessierte mit geschätzten 40 Teilnehmer*innen statt. Dabei ging es unter anderem um die Verbreitung und Wahrnehmung der Creeper Cards sowie die Arbeit der Conflict Helpers, sowie um die Anti Harassment Policy der Veranstaltung. Zum Abschluss wurde ein zweites Treffen an Tag 3 vereinbart. Inhaltlich sollte es um den Ideenaustausch zur praktischen Umsetzung der Anti Harassment Policy bei einem Event wie dem Chaos Communication Congress, sowie um die generellen Ansprüche an die Arbeit eines Awareness-Teams gehen. Zu diesem Treffen unter dem Titel PoliCCCy erschienen über 100 Teilnehmer*innen und Vertreter*innen der Conflict Helpers, die sachlich und konstruktiv miteinander arbeiteten. Es gibt von dem Treffen ein öffentlich einsehbares Protokoll.

Aus unserer Sicht sind die lebendige Debatte und das Resümee aus dem Workshop klare Zeichen dafür, dass es im Chaos-Umfeld viel Gesprächsbedarf und auch Gesprächsbereitschaft zu Themen wie Awareness, Anti-Diskriminierungsarbeit und Harassment gibt. Die Frage nach der Gestaltung von praktischen, unmittelbaren Aktionen und Maßnahmen vor Ort ist mit den Creeper Cards nicht beantwortet. Karten zu Kommunikationzwecken sind aber aus unterschiedlichen Gründen ein verfolgenswertes Konzept, ebenso wie andere Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation und aktives Handeln gegen Harassment.

Leider hat die Debatte um das Projekt auch einige destruktive Reaktionen hervorgerufen. Diese reichten von sexistischen Darstellungen aus Creeper Cards über “Spiele”, die zum Sammeln der Karten - und damit zu sexueller Belästigung - aufriefen, bis zu Spott im beliebten Format Hacker Jeopardy. Der Missbrauch der Karten konnte von uns in dieser Form nicht abgesehen werden, geschweige denn dass er unseren Intentionen entspräche. Wir nehmen nicht hin, dass übergriffiges oder diskriminierendes Verhalten als legitime Reaktion auf das Projekt dargestellt wird.

Die teilweise extremen Reaktionen gegenüber Unterstützer*innen des Projektes richteten sich auch gegen Unbeteiligte und reichten bishin zu Gewaltdrohungen. Sie sind sicherlich nicht allein Folge der Karten. Ein konstruiertes “Außen”, zu dem auch feministische Themen gehören, wird als provokant und das Anliegen als fehl am Platz empfunden. Nichtsdestotrotz freuen wir uns, mit einer kleinen, polarisierenden Aktion eine wichtige und zu führende Debatte angestoßen zu haben. Die Gestaltung von Community-Events, bei denen alle Besucher*innen sich wohl und sicher fühlen, Diskriminierung keinen Platz mehr hat und die offen für neue Themen sind, ist unser aller Department.